Story of my life #18

Manchmal passen Dinge einfach. Zufall, sagt der eine, Schicksal der andere. Je nachdem, wie esoterisch ich gerade drauf bin, schwanke ich zwischen den beiden Polen, die sich meiner Meinung nach auch nicht grundsätzlich ausschließen. Zumindest bilde ich mir ein, dass es kein Unsinn sein kann, Zufälle als Anlass zu nehmen, um über ihre wahrscheinliche Herkunft nachzudenken.

In der „Story of my life” waren einige Bands gesetzt. Von Anfang an stand fest, dass die Musik zur Sprache kommen muss, bei der insbesondere die gefühlte Erinnerung sehr lebhaft ist. Die Erinnerungen an Type O Negativeaus 1993 waren ja, wie der regelmäßige Leser behalten haben dürfte, begleitet von einem emotionalen Tiefschlag allererster Kajüte, der lange nachwirkte. Die folgende Zeit mit entsprechend melancholischer Musik auszufüllen, war für mich nur natürlich, die Wahl von Type O Nagative als Soundtrack folgerichtig. Diese „Herangehensweise“ förderte aber auch ein amtliches Jammerlappentum und dabei mag ich Mitleid nicht mal besonders.

Ich hangelte mich im Winter 1993/Frühjahr 1994 krummbuckelig von Wochenende zu Wochenende und war stets darauf bedacht, nicht zu viel gute Laune zu bekommen. Karneval – schwarz, Sylvester – schwarz, Sonnenbrille auch nachts, Reichlich bekloppt, ich weiß, aber immerhin habe ich mir nicht die Haare abrasiert… Ähhh, stop! Hab ich ja doch. Herr lass Hirn vom Himmel regnen!!!

Das tat er dann tatsächlich, und das völlig unwillkürlich und quasi „durch die Brust ins Auge“.

Es war so, dass wir als 12. Klasse die 13er des Abi 1994er Jahrgangs nach und nach auch kennenlernten – Sauerlandwanderung, Cafe Central und Fabrik sei’s gedankt. Es fanden sogar Partys der Abiturientia 94 statt, wo wir auch eingeladen waren. Eine davon lief bei Stephan in Coesfeld ab. Er wohnte damals unweit des Krankenhauses und stellte seinen Keller (den seiner Eltern wohl eher) zur Verfügung. Es könnte sein Geburtstag gewesen sein, das ist aber Spekulation. Auf jeden Fall fanden sich die üblichen Verdächtigen Coesfelder bei ihm ein und ich lernte hier Sebastian kennen (den vom TOOL-Konzert). Über Musik lässt sich bekanntermaßen super quatschen und mit 12-13 Krombachern im System geht das Ganze nochmal so gut.

Sebastian hatte ein Motorrad, auf das ich recht neidisch war. Das war so eine ReiskocherChopperKiste, die ich nur zu gerne auch besessen hätte. Für ein eigenes KFZ fehlten mir bisher aber einfach die Mittel. Auf jeden Fall war eine neue schicksalsträchtige Freundschaft geschlossen und der Abend gut rumgebracht worden.

Das eigentliche primäre Highlight war nach einer Fahrt nach Hause, an die ich mich nicht erinnere, dass ich zuhause noch die Flimmerkiste einschaltete, in der Erwartung binnen Millisekunden einzuschlafen. Wir hatten nur 4,5 Programme und ich blieb bierselig direkt im WDR hängen. Rockplalast! NOFX! Wie geil! Deren „Ripped“ hat vor allem wegen den „Moron Brothers“ und „The Malachi Crunch“ seit langem bei mir ein Stein im Brett. Ich nahm die TV-Spielfilm zur Hand, studierte kurz das Programm und blieb in eben dieser gottgeküsten Situation einfach noch sitzen, denn Biohazard sollten noch kommen (allein für Punishment hätte sich das Warten gelohnt). Überbrücken mussten mir die Zeit dahin erst Therapy? (Bruder- und Tobiasmusik, erst mit Troublegum auch meine) und die Levellers, die ich nicht kannte.

Das kommt jetzt so im Nebensatz, aber so beiläufig wie sich das jetzt liest, war das keineswegs. Der Auftritt der Levellers dauerte noch keine 20 Sekunden und es änderte sich was in mir. Die Briten schafften es mit ihrer Anarcho-Folk-Rock-Weltverbesserer-Musik direkt in mein Herz. Genauso, wie Peter Steel das Requiem auf zerstörte Hoffnungen grummeln durften, packten mich die Mannen samt Didgeridoo, Mandoline und Geige geradewegs am Schlafittchen und zogen mich mitten in der Nacht kräftig gen Sonne.

An Biohazard erinnere ich mich gar nicht mehr, nur an den bunten Haufen von Fishbone, die noch kamen, aber dieser Abend hatte schon längst Legendenstatus für mich erreicht. Die Musik der Levellers ist wegen den häufig sozialkritischen Texten nicht grundsätzlich Freude-Eitel-Sonnenschein, aber allein die Attitüde und der Aufzug ließen keinen Zweifel an einer eher positiven Gesinnung aufkommen. Davon ließ ich mich anstecken. Folge richtig führte am Montag auch der direkte Weg in die Plattentruhe, wo das aktuelle Album „Levellers“ abgegriffen wurde. Die Songs dieses Albums dürft ihr gern auf meiner Beerdigung spielen! Einfach nur sensationell gute, handgemachte Musik mit Verstand!

Dass wir jetzt am 9.11. in Frankfurt die Levellers gesehen haben, die mittlerweile seit 30 Jahren unablässig touren, passt somit auch in den „Story of my life Kontext“.

Levellers – The Likes Of You And I