Story of my life #21

Noch nicht ganz wieder zu Hause vom Mimizanurlaub angekommen, mussten nach den Sommerferien zu Beginn der Klasse 13 die Koffer direkt wieder gepackt werden. Die Jahrgangsstufe begab sich auf Studienreise. Im Angebot waren Trips nach Italien (Rom), in die Schweiz (Berge) und nach Spanien (Barcelona). Ich wählte Katalonien. Eigentlich eine Sprachreise, die durch den Spanischkurs organisiert wurde, war das für mich als Mathe / Physik LK-ler und am Französischen gescheiterten etwas exotisch, aber zum Mond wollte keiner mitfliegen. Meine Haare waren nach der der Frühjahrsschur wieder auf ein ordentliches Maß angewachsen, mein Groll über die mich verschmäende Damenwelt war aber noch nicht ganz verklungen. Vielleicht dominierte auch aus diesem Grund die Vorliebe für weiblichen Gesang.

Dieser fand sich bei vielen damals von mir in Dauerschleife gespielten CDs wieder. Die besagten „120 Minutes“ auf MTV waren dafür die Quelle. Illustre Bands des 4AD-Labels und viele Alternativ und Independent Truppen waren dabei. Belly mit der Sängerin Tanya Donelly zum Beispiel spielten luftig melancholischen Rock. Elastica tobten leicht angeschrägt durch die Gegend und Björk startete gerade mit ihrem Debut durch. Innovation wo hin man schaute. Weiter weg vom Metal war ich erst wiederEnde der 90er, als die grüne Brille zum French House verführte.

Auf dem Weg nach Süden Richtung Costa Brava war erst mal feiern angesagt. Eine Busreise mit lauter Freunden musste ordentlich begossen werden und das taten wir dann auch, erst heimlich und je dunkler es wurde auch nicht mehr ganz so heimlich. Die Lehrerschaft hatte es sich, wie es sich gehörte, in den vordersten Reihen des Busses bequem gemacht. Hinten kam es nach und nach zu Tumulten und letzten Endes zu komatösen Geschlafe. Am Morgen dann erreichten wir das mondäne (oder auch nicht!) Strandbad Santa Susanna und enterten übernächtigt die Bettenburg. Der Organisator der Reise hatte uns in einem Touristenort unweit Barcelonas ein ziemlich abgerocktes Hotel besorgt, dessen Essen jeglicher Beschreibung spottet. In der Nachsaison war es hier aber wohl günstiger zu wohnen, als in Barcelona selbst und wirklich anspruchsvoll waren wir eigentlich auch nicht.

Die Abendgestalltung zwischen Hotelzimmer, Strand und Disko (QK) begleitete damals Whigfield, Dr. Alban, die Rednex und Scatman John. Mein lieber Mann. Wenn ich heute am Straßenrand Plakatwerbung für 90er Partys lese, wachsen mir die Zehennägel nach innen. Abgehalten vom Feiern hat uns (ja, auch mich) das aber nicht. In der örtlichen Disko (heute sagt man glaube ich Club, ist aber wohl das Selbe) war das dann zu beobachten. Wir hatten hier im nachsaisonal entleerten QK ausreichend Entertainment und machten halt das Beste aus dem Laden. Sangriabeschleunigt ließ sich auch das unterirdische Musikprogramm ertragen. „Entre dos tierras“ der Lokalmatadore Héroes del Silencios war da noch das Highlight. Natürlich war auch hier war auch hier jede Nacht „Saturday Night“. Die unappetitlichen, nicht jugendfreien Details erspare ich hier dem werten Leser. Diese sind in der vergriffenen „ABild“-Ausgabe 1995 hinreichend dokumentiert.

Barcelona selbst war in jedem Fall der Wahnsinn. Für mich die schönste Stadt in der Größe, die ich auch später mehrfach wieder ansteuerte, insbesondere in den Flitterwochen. Die Sagrada Familia allein ist schon abgedreht genug, um Barcelona zu besuchen, und mit den Museen (Miro, Picasso etc.), dem Parc Güell, den Ramblas, der Markthalle, der Casa Batlló, etc, etc. ergab sich massig Programm. Im Endeffekt führte diese Fülle an Attraktionen zumindest zu schweren Beinen, denn das alles wollte per pedes erkundet werden. Unser lokal guide Oreol wurde zudem vom weiblichen Teil der Reisegesellschaft bestaunt. Ja, ja, die Südländer!

Zwei Ausflüge brachten uns auch in das Umland, und der dalische Wahnsinn, dokumentiert im Dali Museum in Figueras, ist sensationell sehenswert. Die Fahrt zum oder vom Kloster Montserrat im gleichnamigen Gebirge im Hinterland Bacelonas führte entlang der wunderschönen Küstenstraße und diese Fahrt ist mir, den Kopf an die Busscheibe gelehnt, die vorbeieilende Landschaft betrachtend, Haribo-Vampire essend und an die Busscheibe klebend (die halten da lange !), über Sinn und Unsinn des Lebens sinnierend und natürlich Musik hörend noch heute präsent.

Die Landschaft ist schön dokumentiert durch das völlig irrsinnige Video von Alexander Polli (Stichworte Wingsuit Montserrat bei youtube) und die Musik, die mich begleitete, war von einer abgedrehten Kapelle, die sich für ihr 1994er Album „Fairytales Of Slavery“ Hilfe von den Einstürzenden Neubauten Mitgliedern FM Einheit und Alexander Hacke holten. Miranda Sex Garden waren für mich damals ein großer Hoffnungsträger, da ihr Album mit der Mischung aus weilscher Kunst, Industrial, Rock und Ambient großes für die weitere Zukunft erhoffen ließ. Leider blieb es dann aber bei diesem Kleinod.

Miranda Sex Garden – Peep Show