Story of my life #22

Bei Thorsten war für mich eine der ersten Anlaufstellen, wenn es darum ging, in Coesfeld zu feiern und anschließend da zu schlafen. Ungezählte Male übernachtete ich in seinem Zimmer im Dachgeschoss auf dem Fußboden im Schlafsack, um dann am nächsten Morgen mit dem Bus von der Daruper Straße nach Hause zu fahren. In diesem Zimmer starteten wir häufig auch mit dem Vorglühen, bevor wir dann irgendwann die entsprechenden Feiereien besuchten. Zur Fabrik war es von da nicht weit und in der direkten Umgebung wohnten eine Menge Freunde, die auch immer mal wieder zu einer Soiree einluden. Mit von der Partie waren die üblichen Verdächtigen Coesfelder und wechselnde Besucher. Leider divergierte hier nach und nach der Musikgeschmack ein wenig bis heftig, so

dass ich unter Qualen Klänge der Connells, Sheryl Crows, der Corrs, den Fugees und einem deelektrifizierten Eric Clapton (den ich später noch schätzen lernte) ertragen durfte. Für mich als Musikfaschisten waren das damals alles geschmackliche NoGoAreas, die aber leider von der Mehrheit der Anwesenden abgefeiert wurden. Ich hätte stundenlang die Smashing Pumpkins (Siamese Dreams), Live (Throwing Copper), Skyclad (Wayward Sons Of Mother Earth und Burnt Offerings For The Bone Idol), Genesis (Nursery Crime und Foxtrott – dazu kommen wir noch mal separat) und all den Helden der Vergangenheit lauschen wollen, um mich für den Abend in Stimmung zu bringen, konnte ich aber in der Gruppe nicht. Das war Gott sei Dank kein Drama, Spass hatte ich auch so und mir blieb natürlich der Kopfhörer, der mich auf dem etwa einstündigen Weg ins Wochenende mit der nötigen Dosis (mMn) vernünftiger Mucke für den Abend versorgte.

Unbestrittener Höhepunkt des Herbstes 1994 war das Konzert von Type O Negative und Tiamat in der Fabrik. Die Wildhoney von Tiamat hatte gerade richtig gezündet – das Eröffnungs-Tripple gehört zum Stärksten, was jemals ein Metalalbum einläuten durfte – und die Highlights des Vorgängeralbums Clouds, die mir Lars Carsten zu einer Livescheibe von Skyclad dazukopierte, liebte ich auch schon eine ganze Weile. So war das Package für mich eine Sensation. Ich warf mich in die beste Tapete, die zur Verfügung stand (helles Baumwollhemd, geschnürt, schwarze Jeans) und traf mich mit Andreas und Markus, die meine Vorliebe für die beiden Bands teilten. Warum ich zu diesem Anlass auf die reinschwarze Uniform verzichtete – zu keiner anderen Gelegenheit außer einem Begräbnis hätte sie besser gepasst – ist mir heute schleierhaft. Wahrscheinlich ein Zeichen meiner Genesung vom Trübsalbläsertum.

Wir starteten den Abend im angeschlossenen Cafe Böll, in dem sich auch metallische Szenegrößen wiederfanden, von denen einer Tom Angelripper, seines Zeichens Sänger der Ruhrpott Trasher Sodom, war. In der Halle erklommen wir vor Beginn des Konzertes die Empore für die beste Sicht auf das Geschehen. Als Tiamat starteten, waren wir direkt im siebten Himmel, denn die Wildhoney wurde direkt mit den ersten drei Songs gewürdigt und durch „In A Dream“ ergänzt. Herrlich! So konnte es weiter gehen und tat es dann auch. Die gute halbe Stunde Vorspiel bereitete uns amtlich auf den Mainact vor. Bei Type O Negative dann zahlte sich unsere Platzwahl aus. Mir war zwar bekannt, dass die Herren aus Brooklyn durchaus ruppig zu Werke gehen konnten, aber der amtliche Pit, der sich bei den alten Nummern des ersten Albums abspielte, wäre mir zu viel gewesen. Pogen mag ich nicht wirklich und deshalb genoss ich das Schauspiel aus der Ferne. Das Konzert war dann auch die erwartete Vollbedienung und seine Eminenz Petrus Steele war einfach ein Erlebnis. Allein das wegen seiner tiefen Stimme kaum zu verstehende „Good evening!“ lies uns staunen. Im Unterschied zu der etwas arroganten Erscheinung auf der Bühne, die aber zu dem Geschehen wie die Faust auf’s Auge passte, gab er sich nach dem Konzert fannah, verteilte Autogramme und nahm ein Bad in der überwiegend weiblichen Menge, die recht offensichtlich durchaus mehr von Herrn Stahl „genommen“ hätte, als ein Signet auf die Brust (sic!). Dieses denkwürdige Konzert war lustigerweise auch Thema beim letzten Fields Of The Nephilim Konzert in der Fabrik, wo ich den guten Thorsten wiedergesehen habe, den ich um die Jahrtausendwende rum in Aachen kennengelernt hatte. Er erzählte mir, dass er auch auf genau jenem Konzert im Oktober 1994 war. Zufälle gibt’s.

So, weil ich es nun schon erwähnt habe, hier jetzt die Huldigung der Wildhoney. Ich selbst kann nicht anders, ich muss die ersten 12 Minuten grundsätzlich am Stück hören.

Tiamat – Wildhoney / That Hurts / The Ar