Story of my life #37

Der dritte der vier möglichen Dienste eines Zivis an der Jugendburg war das Facility Management, oder wie man langläufig sagt, Hausmeister. Ein TopJob, weil es im Schlepptau des vorerst wortkargen Hausmeisters zwar wiederkehrende Arbeiten gab (z. B. Papiermüll zur Kippe fahren) gab aber im Übrigen viel Abwechslung herrschte. Kleine Reparaturen machten wir mit im Eimer herbeigeschafften Utensilien in Eigenregie. Größere wurden beaufsichtigt und unterstützt. Der Hausmeister selbst war ein prima Typ, der in seiner Freizeit mit aus Polen importierten Kutschen rumfuhr und handelte; ein Pfennigfuchser vor dem Herrn, dem es immer lieber war, Arbeit selbst zu machen, als jemanden dafür kommen zu lassen.

Meinen Respekt verdiente ich mir als eigentlich Ungelernter (man kann ja nix ohne Ausbildung und das meine ich ernst ? ) damit, dass ich relativ schwindelfrei bin. Die Burg als Ganzes ist als Denkmalgeschütztes Gebäude mit samt seinen Nebengebäuden und den zugehörenden Bettenhäusern auf eine Brandmeldeanlage der Feuerwehr Borken aufgeschaltet, was dazu führt, dass wenn jemand gewollt oder ungewollt einen Feueralarm auslöst, alles an Feuerwehr auf der Matte steht, was im Umkreis von 10 km zu finden ist. Zum einen sind die alten Gemäuer durch ihre uralte Holzkonstruktion erheblich Brand gefährdet und zum anderen wohnen in Hochzeiten mehr als 100 Gäste in den Unterkünften. Für einen kleinen Jungen muss das ein beeindruckender Anblick sein, wenn Leiterwagen, Löschzüge, Einsatz- und Gerätewagen der umgebenden Berufs- und Freiwilligenfeuerwehr auf dem Burggelände eine Versammlung abhalten, für die Mitarbeiter der Burg herrscht erst mal helle Aufruhr.

Während meiner Zeit als Zivi wurde der Feueralarm zwei Mal ausgelöst. Einmal, als ein mit einer betreuten Gruppe reisender autistischer Gast den Feueralarmknopf verlockend fand und herausfinden wollte, was passiert, wenn man ihn drückt, und beim zweiten Mal löste Wasser aus einem Rohrbruch in der Rentei (ein weiteres Bettenhaus) den Alarm durch einen Kurzschluss in der Elektrik aus, und der Wassereinbruch in die Elektrik ist schon ein ordentlicher nicht ungefährlicher Schaden. Man stelle sich vor, aus einem Lichtschalter quillt Wasser hervor…. Auf der Suche nach der Herkunft des Wassers, nachdem der Haupthahn abgedreht war, fanden wir der Spur des Wasser folgend, unter dem Dach ein geplatztes Wasserrohr an einer unzugänglichen Stelle. Man konnte nur von außen über das Dach an die Leitung ran, wenn man innen nicht eine Wand aufstemmen wollte.

Als die Leiter an der Dachrinne lehnte kletterte zunächst der Hausmeister hoch, kehrte aber auf halben Weg unverrichteter Dinge wieder um, weil die Akrophobie sich seiner bemächtigte. Da hieß es dann „Freiwillige vor“ und da war kein anderer da als meiner einer. Ich stapfte also die Leiter hoch und hob nach Anweisung des aus dem Fenster lehnenden Schlotterbeins die Dachpfannen ab, die im Weg waren. Darunter war nicht, wie heutzutage in Neubauten üblich, reichlich Folie und Dämmung verbaut, so dass gute Sicht auf das Rohr herrschte und ich mittels Pumpenzange und Eisensäge das längsgerissene Rohrstück rauslösen konnte. Ich muss dabei gestehen, dass ich mich dabei nicht wirklich wie ein geübter Akrobat fühlte, weil eine Leiter hochklettern und oben auf einer Leiter stehend arbeiten zwei unterschiedliche paar Schuhe sind (diese Erfahrung sollte sich später beim Zimmermannspraktikum wiederholen). Ich war jedenfalls heilfroh, als ich wieder festen Boden unter den Füßen fühlte und noch mehr, als ich sah, dass der Hausmeister sich sichtlich über die getane Arbeit freute. Ab da war das Eis gebrochen und wir hatten immer wieder was zu lachen, wenn zum Beispiel im tiefsten Winter der Gärtnerzivi in der Werkstatt aufschlägt und im Namen des Gärtners nach einem Boschhammer fragt, um tiefgefrorene Erdhaufen kleinzuklopfen.

Als Wehrdienstverweigerer steht einem als Zivi im Dienst des Vaterlandes für seine Arbeit eine Besoldung zu. Mein erstes Einkommen! Ich hatte zuvor eigentlich immer ausreichend Geld durch Jobs und mein Taschengeld zur Verfügung, um als Teenager über die normalen Partyrunden zu kommen. Als Zivi erhöhte sich meine Barschaft aber beträchtlich. Das führte dazu, dass sich eine gewisse Sammelleidenschaft für CDs einschlich. Ich kaufte regelmäßig neue und alte Klassiker Alben von bekannten („muss man haben“) und weniger bekannten Bands und Künstlern ein. Dazu fuhr ich entweder in den Plattenladen nach Borken oder schaute auf dem Weg von oder nach zu Hause in der Plattentruhe in Coesfeld vorbei. Direkt am Anfang der Zivildienst Zeit wanderten so Dauerbrenner wie das 95er Smashing Pumpkins Album „Mellon Collie And The Infinite Sadness“, die Trommelorgie „Roots“ von Sepultura (zu Ratamahatta sollte ich noch so manches mal das Tanzbein schwingen) und vor allem Quicksands „Manic Compression“ auf Kassetten, die mein vom ersten Zivi Gehalt bei Morava in Münster erstandener Panasonic RQ-SX 44 zu Gehör bringen durfte. Der Song „Thorn In My Side“ schiebt mich dermaßen vorwärts, herrlich.

Quicksand – Thorn In My Side