Story of my life #41

Im Frühjahr 1996 wechselte die geistliche Leitung der Jugendburg und mit diesem Wechsel ging auch irgendwie ein Wandel einher, der das Leben auf der Burg weniger locker machte. Es ist nicht so, dass es auf einmal stocksteif oder trübsinnig zuging. Es waren einfach ziemlich große Fußstapfen, die da jemand ausfüllen wollte. Reichlich unbeholfene Ansprachen im Bezug auf Damenbesuche ließen uns mehr als einmal ungläubig staunen. Aber die Zivitruppe, die schon wieder etwas durchgewechselt hatte, machte das Beste daraus und zeigte dies auch auf dem Betriebsausflug nach Berlin.
Die Burg wurde für die Zeit geschlossen und die Belegschaft machte sich auf den Weg in die Hauptstatt. Wir wohnten am Wannsee und unternahmen Ausflüge nach Potsdamm. Ein Abend blieb dabei in sehr umnebelter, aber doch intensiver Erinnerung und könnte den Titel tragen: „Kommt der Bauer in die Stadt.“ Eine Truppe von sechs oder sieben Landeiern sind konfrontiert mit dem (Nacht-) Leben der Hauptstadt und lassen es gemessen an ihren Möglichkeiten ordentlich krachen.

Nach kurzer, verstörender Stipvisite bei einer Pilotin des 2. Weltkriegs und einigen Pitchern in einer American Sports Bar steuerten wir zielstrebig das Klo an. Ich war Hinterherläufer und hatte von dem Laden noch nie gehört, aber es gab ihn. Ein Lokal dem Stillen Örtchen gewidmet. Den Humor muss man erst mal haben. Schon beim Betreten des schummerigen Etablissements wurde man von einem scharfen Strahl Wasser aus irgendeiner Düse (Männeken Piss?) begrüßt. Super! Wir fanden einen Tisch für alle und studierten die Karte. Was auf Malle üblicherweise mit Sangria geschah fand sich hier in abgewandelter Form wieder. Für die Truppe wurde ein Nachttopf Bier mit Strohhalmen bestellt, der, weil ja keiner zu kurz kommen wollte, in einem Wimpernschlag inhaliert wurde. Der persönliche Nachschlag erfolgte dann in individuellen Urinflaschen. Die Wirkung der Druckbetankung blieb nicht aus und beim Besuch der Latrine staunte ich ungläubig über den Tiefspüler, der bei Betätigung des Abzugs nicht nur den bekannten Wasserschwall freigab, sondern auch anfing sich selbst zu drehen. Bis ich verstanden hatte, was da gerade vorging, nämlich, dass der Sitz eine Reinigungsrunde durch einen Bürstenapparat drehte, war der Lachflash da, von dem ich mich kaum erholte. Wir sind in dieser Nacht mit der U-Bahn zurückgefahren. Das weiß ich, weil es ein Foto davon gibt und nicht, weil ich mich daran erinnere.

An diesem Nachmittag kehrte ich auch in einen großen Plattenladen ein, der wieder Anhörstationen mit Kopfhörern bereithielt. Einer meiner Kollegen deutete mir in Richtung eines Albums, dass er wohl selbst zu kaufen beabsichtigte. Heute wäre ich ja pingeliger, aber damals wurden bedenkenlos die ollsten Kopfhörer aufgesetzt und jegliches anwesende Fremdbakterium ignoriert.
Ja, da war wieder was Neues und es gefiel mir gut. Die Vorgeschichte der Band, tief im Gothic verwurzelt, kannte ich nicht, aber der Sound gefiel. So wurde für uns zwei eine CD zum ständigen Begleiter unserer restlichen gemeinsamen Zivizeit.

Secret Discovery – One Good Reason