Story of my life #46

Als gut vernetzte Billerbeckerin war ein Praktikumsplatz als Zimmermann von meiner Ma schnell besorgt. Hier kommt mein Berufswunsch (wir erinnern uns: Schreiner) irgendwie dann doch zum Tragen. Letzten Endes was mit Holz.

Am Bau kann man als Praktikum bei einem Bauunternehmen Steine schleppen, Beton anmischen, Schalung zusammenschrauben, Gerüste aufbauen oder Pflastersteine knacken. Als Zimmermann hatte man es eher mit vermeintlich angenehmeren Arbeiten zu tun und Ich habe die Zeit ziemlich genossen. Die Rumturnerei auf oder am Dach an der frischen Luft, das Schneiden von Balken mit der Kettensäge oder auch das Ausnageln eines Ankers. Wäre ich mehr der körperlichen Arbeit zugetan, dass wäre definitiv ein Job für mich. Obwohl ich zugeben muss, dass ich trotz ziemlicher Schwindelfreiheit beim Einschlagen von Nägeln in die Sparren, während ich auf der Firstfette saß, mich ziemlich unwohl und unsicher fühlte. Deshalb gilt mein größter Respekt den Monteuren von Windrädern oder Hochspannungsleitungen, die täglich in unglaublicher Höhe arbeiten müssen (und wollen).

Für die Zeit zog ich wieder bei meinen Eltern ein und war so auch wieder näher bei meinen ganzen Freunden und Bekannten. Dadurch wurde neben der Arbeit auch noch ordentlich gefeiert. Da war zum Beispiel die Geburtstagsfeier von jemanden, den ich nur über Dritte kannte, aber auf der jede Menge Konsorten meiner einer aufschlugen. Darunter war unter anderem Billerbecks größter Metalhead, der, immer noch mit einer Kutte bekleidet, völlig dem Schwermetall verfallen, einen großen Teil meines Musikgeschmacks teilte. Es gibt für einen Musikverrückten auf mancher Party manchmal nichts Unterhaltsameres, als sich mit einem gleichgesinnten zu unterhalten. So auch hier. Wir tauschten uns über die neuesten Platten aus und grölten, ein Bier fest umklammert, textsicher Teile von (nach meiner maßgebenden Meinung ? ) unsterblichen Klassikern.

Zwei Platten, an die ich mich sehr lebhaft erinnere, hatten sehr erinnerungswürdige Texte. Zum einen waren da Lieder von einer Potsdamer Kapelle namens Subway to Sally, die sich aus dem Umfeld von Mittelaltermärkten dem harten Rock zuwandten. Das Cover hatte mich mal wieder von einer Anhörstation in der Plattentruhe angesprochen und der Titel tat sein Übriges: „Foppt den Dämon“. Neben den Fanta 4 waren die Eric Fish und seine Kollegen die einzigen deutschsprachigen Künstler, die mir damals gefielen. Hier skandierten wir fröhlich den Text von „Sag dem Teufel“

Du bist immer gut zu Tieren
deine Kleidung ist adrett
du bist artig, still und leise
und zu alten Damen nett

du bist einfühlsam und freundlich
hast nie einen Tag verschenkt
du läufst immer vor dem Karren
den ein andrer für dich lenkt

zeig mir deine dunkle Seite
die ist, was ich an dir mag

sag dem Teufel in dir guten Tag!

Eine andere nicht minder illustre Truppe waren Skyclad, deren ersten beiden Alben noch auf einer Qualitätskopie von mir gehuldigt wurde, die mir LCK seiner Zeit machte und ein ständiger Walkmanbegleiter war, und deren mittlerweile sechstes Studio Album „Irrational Anthems“ startet mit „Inequality Street“, einem für diese Folkmetalband typisch sozialkritische Nummer, deren Text sich aber auf beliebige Benachteiligungssituationen ummünzen lässt:

Life’s really a chocolate box –
some do without – others have plenty.
It sticks in my throat – my stomach’s in knots,
while your box is so full – mine’s perpetually empty.

Ein super Abend! Mehr Ablenkung von dem sich doch einschleichenden Unbehagen der ungewissen Zukunft im Irgendwo gegenüber und dem Verdruss des Abschieds vom Gewohnten brauchte es nicht.

Ich bin mir fast sicher, dass am darauffolgenden Montag mein Radiowecker, wie gefühlt jeden Morgen zur Zeit meines Praktikums, einen Song abspielte, von dem ich erst Jahre später den Titel herausfinden sollte; denn mal eben die WDR2 Playlist aufmachen war 1996 noch nicht angesagt.

Stan Ridgway – Camouflage