Story of my life #49

Miss You So!

Sicherlich könnte man über die Erstsemestereinführungstage viel schreiben. Jeden Abend eine Feier, zig neue Leute, viel Hopfentee und HangOver…. Eigentlich ist damit schon alles erzählt. Über die eine oder andere Bekanntschaft wird dringend noch zu berichten sein, mir drängt sich beim Gedanken an den Oktober 1996 aber ein ganz anderer Gedanke auf. Ich habe meiner Ma zu Lebzeiten viel zu selten gedankt für all die Dinge, die sie für mich gemacht hat. Warum komme ich genau jetzt darauf, wo es eigentlich um die große Sause geht?

Mein Zimmer in der WG war, wie bereits geschildert, mit einem Schnurtelefon ausgestattet. Dieses Telefon klingelte ab dem Zeitpunkt, da ich in Aachen mein Lager aufgeschlagen hatte, regelmäßig und meine Ma erkundigte sich nach dem Befinden des ältesten Sprosses der Familie. Natürlich war auch das Vorankommen im Studium von Interesse. Und so quatschte ich mindestens ein Mal die Woche ein wenig ungezwungen und interessiert mit zuhause. Der Auszug und die Distanz wirkten sichtlich Wunder auf unser Verhältnis. Während der Zeit, wo ich noch mein Zimmer in Billerbeck bewohnte, gab es ständig Anlass zu streiten, wie das so ist, wenn Mutter mit dem Lebenswandel des Sohnemanns nicht uneingeschränkt d’accord geht und Sohnemann sich reichlich wenig darum schert, was in der kleinen Welt in Billerbeck so vor sich geht.

Jetzt lebte ich 200 km von Daheim entfernt, war 21 Jahre alt aber noch weit davon entfernt vollständig selbständig zu sein. Zum einen lag das daran, dass ich neben dem Bafög noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen war. Zum anderen aber stellte ich sehr schnell fest, dass es total praktisch war, regelmäßig mit einem prallgefüllten Wanderrucksack voller Dreckwäsche zuhause aufzuschlagen und mit einem ebenso vollen Rucksack frisch gewaschener und gebügelter Sachen wieder gen Aachen zu ziehen. Es gab da kein Wort der Klage, kein stöhnen oder sonst irgendeine negative Bemerkung dazu, wenn ich mich recht erinnere. Dabei ist mir insbesonere klar, wieviel Arbeit allein das Bügeln ist. …. Ich hasse Bügeln. Dieser Gefallen verkam für mich zu einer Selbstverständlichkeit und mehr als ein automatisiertes „Danke“ kam mir wohl bei der Abfahrt nicht über die Lippen. Die Erkenntnis trifft einen hart, wenn man eigene Kinder hat. Leider kann ich ihr heute nicht mehr sagen, wie sehr es mein Leben vereinfacht hat und dass es weit entfernt davon ist selbstverständlich zu sein, wenn die Mama am Wochenende ihre eigene Freizeit für den voll ausgewachsenen Hominiden namens Andre opfert.

Das zweite Thema ist das Essen. Als ich vor ein paar Jahren den Film Ratatouille gesehen habe, erschlug mich die Szene mit eben jenem Ratatouille geradezu. Etwas zu essen, das wie etwas aus der Kindheit schmeckt… pures emotionales Flashbackgold!!!

Meine Ma war eine super Köchin. Vom Chicorée und Struwen abgesehen mochte ich eigentlich alles, was sie kochte sehr gern und ich bin bis heute fasziniert, was sie alles dazu gebracht hat, lecker zu sein. Mir selbst gelingt beileibe nicht so viel und den exakt gleichen Geschmack des Gulaschs oder der Pilzsoße oder der Pfannkuchen, des Pirogenbrotes, der Wurstbrötchen, der Hühnersuppe, der Zwiebelsoße und des Sauebratens wird mir niemals gelingen… nicht annähernd. Viele Gerichte davon waren zudem aufwändig aber der Wert des ganzen blieb ebenfalls hinter einem Schleier aus Gewohnheit und Normalität für mich lange verborgen. Kinder sind auch da wahre Augenöffner! Hier habe ich die Gelegenheit verpasst von ihr zu lernen und ich hätte viel lernen und ihr zeigen können, wie sehr mich ihr tun begeistert.

Allein in Aachen gab es natürlich immer die Möglichkeit, Fastfood zu verköstigen. Davon machte ich auch reichlich Gebrauch. Ich glaube an jedem zweiten Tag gab es eine Ristorante Salami unterbrochen von Dönern und den durch Fertigsoßen verzierten Uncle Benz Reis. Um die Mensa machte ich zu Beginn des Studiums gerne einen Bogen. „Gesunde Ernährung ist was für alte Leute.“ Im Grunde genommen fühlte man sich mit gerade mal 20 doch ziemlich unsterblich! Diesen Irrglauben boxt einem das Schicksal leider eines nicht allzu fernen Tages aus dem ignoranten Denkapparat…

Es gibt einen Film aus den 80ern, der einem aus vielen Gründen im Gedächtnis bleiben kann. In erster Linie wohl wegen einem einzigen Satz: „Ich habe eine Wassermelone getragen.“ Ich hatte den Soundtrack auf Tape und hörte ihn auf manch verträumten zweisamen Fahrt im Auto und das Lied, dass ich schwer mit meiner Ma in Verbindung bringe, weil ich mich noch gut daran erinnere, wie sie damals Babys Tanz dazu zuhause nachtanzte (die Teile, die nicht akrobatisch waren ? ) sollte mir alsbald auch in einer Aachener Disco wiederbegegnen; und so schließt sich abermals ein Kreis.

Bill Medley & Jennifer Warnes ‎– (I’ve Had) The Time Of My Life