Die Needle

Ich war lange Zeit ohne wirkliches Hobby. Musik hören und intensiv Filme gucken ist zwar eine feine Sache, aber als richtiges Hobby, mit dem man gezielt seine Freizeit ausfüllt, irgendwie etwas wenig. So stellte ich mir die Frage, als ich 2012 einem Strohwittwerwochendende entgengensah: Was machst du da mit deiner Zeit? Wie ich jetzt genau darauf kam, mich mit dem Lautsprecher Selbstbau auseinanderzusetzen, ist mir entfallen. Wahrscheinlich habe ich im Zeitschriftenhandel eine der beiden DIY Hifi Zeitschriften gesehen und daraufhin im Internet recherchiert. Ich habe viel gelesen und Foren durchstöbert. Dabei stellte sich schnell heraus, dass einen Lautsprecher selber Entwickeln schon was recht Anspruchsvolles ist und viel Zeit und Erfahrung, ganz zu schweigen von den Anschaffungskosten für Messequipment und Standardbauteile, mitbringt. Es gibt aber auch die Möglichkeit einen Bausatz bestehend aus Lautsprecherchassis, Frequenzweichenbauteilen und dem restlichen Zubehör zu kaufen und einem Bauplan zu folgen. Hinzukaufen muss man nur das Holz und den Leim. Eine Stichsäge besaß ich und Schraubzwingen konnte ich mir vom Nachbarn leihen.

Bei der Suche nach dem passenden Bausatz der Kategorie „billich will ich“ landet man zwangsläufig bei der Needle, da dieser Lautsprecher in seiner Urform nur ein kleines einfaches billiges Breitbandchassis besitzt, welches mit drei Bauteilen in der Weiche (eigentlich Sperrkreis) auskommt. Ich bestellte also bei einem in der Szene bekannten Versender für Breitbandbausätze (Spectrum Audio) zwei Bausätze für eine Needle, denn Stereomusik braucht nun mal zwei (und nicht einen, wie manch Brüllbox vorgibt). Dazu ist im Internet der Bauplan frei verfügbar, den ein gewisser „Cyburgs“ entworfen hatte. Zum persönlichen Gebrauch kann jeder den verwenden. Hier ist der offizielle Bauplan.

Die Holzstückliste gab ich im örtlichen duisburger Baumarkt ab (dem falschen, wie ich recht bald feststellen musste) und konnte das Holz (Spanplatte) am nächsten Tag abholen. Jetzt konnte es schon losgehen. Frau und Kinder waren aus dem Haus, Musik aufgedreht und ab die Post. Zunächst einmal musste ich mit meiner kleinen Bügelsäge noch ein Brett teilen, weil der Baumarkt Maße kleiner 10 cm nicht schneiden darf (Arbeitsschutz an Plattensägen). Die Löcher für das Chassis und das Terminal mit der Stichsäge zurechtgestümpert (rund geht mit einer 20€ Stichsäge nicht wirklich) Aber dann hieße es Leimen los!

Ich klebte mit ordentlich leim die Bretter gemäß dem Bauplan zusammen, indem ich die große Seitenwand auf einen Tisch legte und die restlichen Brettchen senkrecht daraufstellte. Deckel zu und …. Was soll ich sagen? Es passte nicht wirklich. Alles schien Krumm zu sein. Da hatte sich wohl die Plattensäge im Baumarkt verstellt und machte keine rechtwinkligen Schnitte mehr. So schlossen sich die Fugen beim anziehen der Zwingen nicht ganz und ich musste mit viel Leim reparieren. Es soll ja schließlich dicht sein das Kistchen. So viel hatte ich da vom Lautsprecher Selbstbau schon verstanden. Leim muss trocknen und in der Zwischenzeit konnte ich die Bauteile des Sperrkreises zusammenfummeln. Da hier alle Bauteile Parallel verbaut werden ist man mit zwei Lüsterklemmen schnell fertig und braucht keinen Lötkolben. Leim trocknen dauert noch… OK erst mal nen Film gucken ein Bierchen trinken. „The Social Network“, wie man gleich noch sehen wird.

Nach etwa der Hälfte des Films hielt ich es nicht mehr aus. „Ich will das jetzt wissen!“ Also, Zwingen lösen, die Dämmung an die entsprechende Stelle stopfen, Kabel rein, an das Terminal und das Chassis anlöten und alles einbauen. Fertig. Jetzt standen sie da. Links und rechts vom Fernseher.

Schnell die Elacs abgeklemmt und die Needles ran. Es konnte losgehen. Im Wohnzimmer stehen die CDs von Simone. Tori Amos‘ „Little Earthquakes“ ist auch darunter und war zu der Zeit mein Liebling, weil ich „Precious Things“ in American Beauty großartig fand. Also Player auf, CD rein, hinsetzen und los!

Als in dem Lied die tiefen Töne des Klaviers einsetzen, ist es um mich geschehen. Das ist so mitreißend, so authentisch, so klar. Viel besser als auf den Cinema Pipes, die ich zu der Zeit von Elac besaß und nutzte. Das kann doch gar nicht sein. Die Teile haben nur etwa 30 € das Stück gekostet und können gegen das 10 fache anstinken…. Weiter ausprobieren war jetzt angesagt! Im Regal steht die von mir eigentlich wenig gehörte Eric Clapton Unplugged. „Tears in Heaven“ kennt aber jeder. Nein kann nicht sein. Was ist das für ein klappern? Komisch… Nein, gar nicht komisch! Her Clapton tippt im Takt der Musik mit den Füßen! Das hatte ich noch nie vorher gehört! So saß ich da, mit Pipi in den Augen, und begann Musik völlig neu zu entdecken.

Also, wenn jemand gerne mal ausprobieren möchte, was am Lautsprecher Selbstbau dran ist, kann diese Experiment gerne nachmachen, aber ich habe in der Folge festgestellt, dass für etwas mehr finanziellen Einsatz die Needle dann noch ein großes Stück besser wird, wenn man hochwertigere Breitbänder benutzt, als Visatons FRS 8. Bis zuletzt waren in meinen Needles die Dayton RS 100 mit ADWs Sperrkreis verbaut und da ist man für 50 € schon ganz weit vorn….